-------------------König Harolds Sage-------------------
Einige Anmerkungen zu Prinz Eisenherz von Wolfgang J. Fuchs


Es sind seltene Glücksfälle, die ein Werk wie das Epos von Prinz Eisenherz zu Stande kommen lassen, das dem Fleiß und Genie eines Einzelnen zu verdanken ist. Im Falle von Fosters sagenhafter Bilderzählung wurde der Berührungspunkt von Comicform, bildender Kunst, selbsterlebtem Abenteuer, überlieferten Sagen, Ritterroman und Fabulierkunst zu jenem Kristallisationspunkt, dem wir seine ,,Sage vom Singenden Schwert“ verdanken.

Die Handlung der Eisenherz-Erzählung rollt in einem legendären 5. Jahrhundert n. Chr. ab, dem die künstlerische und poetische Freiheit gestatten, historische Ereignisse aus Nachbarjahrzehnten, Waffen, Kleidung und Burgen manchmal auch aus Nachbarjahrhunderten miteinzubeziehen, ohne damit die geschichtlich belegbare Wahrheit zu beugen oder beugen zu wollen. Da all die nach klassischer Illustratorentradition in Szene gesetzten Abenteuer auf authentischen Erfahrungen beruhen, hat auch die Eisenherz-Sage ihre eigene, überprüfbare Authentizität. Die Fiktion der Sage rückt in die Nähe der Realität, weil sie jener Epoche -oder genauer: unserer Vorstellung von jener Epoche -entspricht.

Die Beteiligung an historischen Ereignissen und die Begegnung mit historischen und literarischen Persönlichkeiten hat König Haralds Sage mit vielen Legenden, Sagen und Mythen gemein, nicht zuletzt deshalb, weil sich Harold Fosters Erzählung auf mehrere von altersher bekannte Sagen stützt und deren Stilelemente einsetzt. An erster Stelle steht dabei die Artus-Sage, mit der die historische Epoche und einige der Hauptfiguren festgelegt wurden. Weitere Einflüsse entstammen dem Nibelungenlied und dem historischem Roman im Stile Walter Scotts. Im Unterschied zu vielen Vorbildern ist die Hauptfigur nicht in absolute, hehre Distanz entrückt. Dies lässt sich vor allem in der Originalfassung erkennen, in der der Name des Helden, Prince Valiant, auch in der vertrauenerweckenderen Koseform Val erscheint.

Um das Eigenständige und der historischen Realität Nahe seiner Legende zu zeigen, hat Foster in seine Erzählung auch den Chronisten der Lebensgeschichte vom Prinzen Eisenherz eingehen lassen und die Erzählung an einer Stelle unterbrochen, weil ,,im Lauf der Jahrhunderte” einige der Aufzeichnungen verloren gegangen sind.

Prinz Eisenherz ist jedoch nicht nur wegen seiner in vortrefflichen Zeichnungen festgehaltenen Realitätsnähe bekannt und beliebt geworden. Es waren vor allem die Erlebnisse des Prinzen und die lebendige Charakterisierung der handelnden Personen, die wesentlich zum Erfolg der „Sage vom Singenden Schwert” beitrugen. Die Personen altern wie reale Wesen. Sie haben ihre Wesenszüge, die nicht stereotyp und unabänderlich sind, sondern psychologisch äußerst feinsinnig über die Jahre hin, beeinflusst von Umwelt und Erziehung, reifen. So haben zum Beispiel Leichtsinn und Verspieltheit des Jugendvorbildes Gawain ein wenig auf Eisenherz abgefärbt, das aufbrausende Temperament der Jugendjahre ist mit den Jahren gezügelt worden.

Die Erlebnisse dieses an ritterlichen Idealen von Mut und Ehre orientierten, und dennoch Streichen nicht abholden Prinzen, ist so recht dazu angetan, Wunschträume nach seiner vergangenen, erlebnisreichen Zeit zu befriedigen, die unwiederbringlich dahin ist, und in die sich auch allen Ernstes niemand zurückversetzen lassen wolIte.

Zweifelsohne können bei diesen Wunschträumen Wertvorstellungen wesentliche Inhalte ausmachen. Man wird Eisenherz aber kaum den Vorwurf machen können, er propagiere hierarchische Strukturen oder rede einer imperialistischen Gewaltideologie das Wort. Im Gegenteil: Eisenherz zeigt, dass Idealismus sein muss, auch wenn er oft genug an den zu wenig genutzten menschlichen Tugenden Vernunft und Verstand und an dem allzu oft fehlenden Gemeinschaftssinn und übermäßig vorhandenem Gewinnstreben scheitert.

Wenn diejenigen, denen Prinz Eisenherz durch Reformen ein freies Leben bringen will, mit Freiheit stets nur die des eigenen Vorteils meinen, fühlt man sich an das Goethe-Wort erinnert: ,,Wie man denn niemals mehr von Freiheit reden hört, als wenn eine Partei die andere unterjochen will, und es auf nichts weiter angesehen ist, als dass Gewalt, Einfluss und Vermögen aus einer Hand in die anders gehen sollen.” Diese Erfahrung kann man heute machen wie eh und je.

Freiheit ist nicht absolut, sie kennt ihre Regeln, ohne die keine menschliche Gesellschaft lebensfähig wäre. Die Freiheit verlangt auch, dass man für die damit verbundenen Überzeugungen eintritt. Eisenherz hat sich, mit Goethe, die Freiheit wie das Leben verdient, weil er sie täglich erobern musste. Dies ist vielleicht die entscheidende Moral von König Harolds Sage.

Wolfgang J. Fuchs 1975 in: "Prinz Eisenherz - Wissenswertes über den Ritter ohne Furcht und Tadel", Sonderdruck für Abonnenten, Pollischansky Verlag, Wien, 1975